Der wild gewordene Inn

Baumeister Fluss

Mit dem Abschluss der Bauarbeiten übergaben die Ingenieure die weitere Gestaltungsarbeit dem Inn. Aus seinem engen Damm-Korsett befreit, darf er sich nun auf einer Breite von 210 und einer Länge von 610 Metern selber seine Flusslandschaft gestalten. Trotzdem erwarten wir Menschen, dass er gewisse Rahmenbedingungen einhält. Dazu gehört, dass er nicht zu viele Kiesbänke anhäufen und somit sein Flussbett erhöhen soll und umgekehrt auch nicht zu viel Material wegerodieren und seine Sohle vertiefen soll. Und dann wäre da noch unser Schönheitsideal einer natürlichen Flusslandschaft. Doch dazu mehr im Kapitel „Eine Landschaft, die nie fertig ist“.

Ein natürlicher Fluss fliesst nicht überall gleich schnell. Die unterschiedlichen Fliessgeschwindigkeiten gestalten das Flussbett. Eine schnelle Strömung bewegt viel Material und auch grössere Steine und transportiert sie mit, der Fluss erodiert. Eine langsame Strömung transportiert weniger und kleinere Steine, der Fluss lagert ein Teil des mitgeführten Materials wieder ab, er sedimentiert. Dies sieht man deutlich beim Einlauf des Beverins. Hier wird das Beverinwasser abgebremst und es bilden sich Kiesbänke. Im Bereich der Revitalisierung wurde die Flusssohle des Beverins abgesenkt. So fliesst das Wasser über eine Stufe in die Revitalisierung hinein und wird dadurch schneller. Grosse Steine dienen hier als Erosionsschutz der Flusssohle.

Dank den unterschiedlich schnellen Strömungen kann sich eine vielfältige Flusslandschaft mit Kiesbänken und unterschiedlich grossen Flussläufen entwickeln.

Der zweigeteilte Inn

Vor der Revitalisierung fristete das Auenwäldchen mit seinem stillen Seelein ausserhalb des linksufrigen Damms ein ruhiges, für seine Bedürfnisse zu ruhiges Dasein. Während der Revitalisierung liessen die Arbeiter ein niedriger, mit Weiden bewachsener Erdwall stehen, damit das Auengebiet nicht gleich überflutet wird. Doch der Inn hatte einen anderen Plan. Bereits im ersten Sommer riss er eine Lücke in den schmalen Erdwall, Weiden kippten um, und eroberte sich das Seelein und die Stillgewässer. So bildete sich ein Seitenarm, der schliesslich den Grossdurchlass passierte und sich erst unterhalb der Isellasbrücke wieder mit dem Hauptarm vereinte.

Zwar zerstörte der Inn einige Weiden, doch er brachte endlich wieder, nach vielen Jahrzehnten, die nötige Dynamik zurück in das Auengebiet. Die Pflanzen dort, wie Weiden und Erlen, sind nämlich darauf spezialisiert, dass sie immer mal wieder überschwemmt werden, im fliessenden Wasser und nachher im Schlamm stehen. Ohne diese Hochwasser wandern langsam fremde Arten ein wie Lärchen, Föhren und Fichten, welche die hochspezialisierte, aber konkurrenzschwache Auenvegetation verdrängen. Damit ist jetzt Schluss. Die häufigen Überschwemmungen setzen den fremden Baumarten zu und mit der Zeit werden sie absterben.

 

Korrekturmassnahme

Eigentlich war die Meinung, dass der revitalisierte Inn selber sein Flussbett gestalten darf. Aber natürlich nur innerhalb der Revitalisierungsgrenzen und am liebsten gemäss unseren Vorstellungen. Nur kennt der Inn unsere Vorstellungen nicht. Immer mehr Wasser floss, anstatt im eigentlichen Flussbett, nach links in den Seitenarm und durch das Gerinne der ehemaligen Stillgewässer. Doch weiter unten kommt die Isellasstrasse mit der Brücke und dem Grossdurchlass. Und hier soll, gemäss unseren Vorstellungen, weniger Wasser durch den Grossdurchlass und mehr unter der Brücke hindurch abfliessen. Um dies dem Inn unmissverständlich beizubringen, fuhren im Frühling 2014 nochmals die Bagger auf. Sie bogen die Kieszunge vor der Brücke so ab, dass der Seitenarm in Richtung Brücke abgelenkt wird und bauten im Seitenarm zwei Schwellen, um an den Engpässen die Fliessgeschwindigkeit und somit die Erosionskraft zu vermindern.